VIETNAM NATIONALE UNIVERSITÄT HANOI
FREMDSPRACHENHOCHSCHULE
ABTEILUNG FÜR POSTGRADUALE AUSBILDUNG
TRẦN THỊ HUỆ
EINE KONTRASTIVE ANALYSE DEUTSCHER UND
VIETNAMESISCHER TODESANZEIGEN AUS
TEXTLINGUISTISCHER SICHT
PHÂN TÍCH SO SÁNH CÁO PHÓ
TRONG TIẾNG ĐỨC VÀ TIẾNG VIỆT
XÉT TỪ BÌNH DIỆN VĂN BẢN HỌC
MASTERARBEIT
Fachrichtung
: Germanistik
Fachrichtungscode
: 8220205.01
HANOI - 2018
VIETNAM NATIONALE UNIVERSITÄT HANOI
FREMDSPRACHENHOCHSCHULE
ABTEILUNG FÜR POSTGRADUALE AUSBILDUNG
TRẦN THỊ HUỆ
EINE KONTRASTIVE ANALYSE DEUTSCHER UND
VIETNAMESISCHER TODESANZEIGEN AUS
TEXTLINGUISTISCHER SICHT
PHÂN TÍCH SO SÁNH CÁO PHÓ
TRONG TIẾNG ĐỨC VÀ TIẾNG VIỆT
XÉT TỪ BÌNH DIỆN VĂN BẢN HỌC
MASTERARBEIT
Fachrichtung
: Germanistik
Fachrichtungscode
: 8220205.01
Gutachterin
: Dr. Lê Tuyết Nga
HANOI – 2018
Eidesstattliche erklärung
Hiermit erkläre ich an Eides statt, dass ich die vorliegende Masterarbeit selbstständig
angefertigt und keine andere Literatur als die angegebene benutzt habe.
...............................................................................
Tran Thi Hue
.
Danksagung
Die vorliegende Arbeit ist die wichtigste Arbeit in meinem Masterstudium und sie
ist vorerst der Abschluss meines langjährigen Studiums. Ich würde mir deshalb die
Zeit für einige ausgewählte Worte des Dankes nehmen.
Allen voran möchte ich meiner Betreuerin, Frau Dr. Le Tuyet Nga, für ihre
hilfreichen Ratschläge danken. Ohne ihre wertvollen Unterstützungen hätte ich
diese Herausforderung nicht meistern können.
Ich würde mich ganz herzlich bei Herrn Le Hoai An – Dekan der Abteilung für
deutsche Sprache und Kultur für seine Unterstützungen und bei den anderen
Kolleginnen und Kollegen der Abteilung für ihre Vertretung im Unterricht, wenn
ich mich mit dem Studium beschäftigen musste.
Zusammenfassung
Titel der Arbeit: Eine kontrastive Analyse deutscher und vietnamesischer
Todesanzeigen aus textlinguistischer Sicht
Name: Tran Thi Hue
Todesanzeige ist nicht nur ein Kommunikationsmedium in der Gesellschaft,
sondern auch eine formelhafte und kulturspezifische Textsorte, in der Einstellungen,
zentrale Werte und Normen und Trauerrituale einer Gesellschaft reflektieren. In
Bezug auf die Textlinguistik macht die vorliegende Arbeit anhand 280 privaten und
offiziellen Todesanzeigen einen kontrastiven Vergleich zwischen den deutschen
und vietnamesischen Todesanzeigen. Dabei werden erfoscht, welche Funktionen in
den
deutschen
und
vietnamesischen
Todesanzeigen
dominieren,
welche
Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Textstruktur und der sprachlichen
Ausgestaltung gefunden werden. Aus der kulturellen Sicht versucht die Arbeit, die
Unterschiede zu erläutern.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ...............................................................................................................1
1.1. Themenwahl und Problemstellung ......................................................................... 1
1.2. Zielsetzung und Forschungsfragen ......................................................................... 2
1.3. Forschungsstand ...................................................................................................... 3
1.4. Forschungsmethoden und Aufbau der Arbeit ........................................................ 4
2. Grundbegriffe........................................................................................................6
2.1. Text ........................................................................................................................... 6
2.2. Textsorte ................................................................................................................. 11
2.3. Textualitätsmerkmale ........................................................................................... 15
2.4. Textfunktion ........................................................................................................... 21
2.5. Kriterien zur Textanalyse und Textanalysemodelle ............................................ 24
3. Die Textsorte Todesanzeige ...............................................................................28
3.1. Zum Begriff Todesanzeige.................................................................................... 29
3.2. Die Textsorte Todesanzeige und ihre Differenzierungsmerkmale ..................... 29
3.3. Todesanzeige als kulturspezifische Textsorte...................................................... 33
3.4. Funktion der Todesanzeige ................................................................................... 36
4. Praktische Untersuchung ...................................................................................38
4.1. Kommunikationssituation und Funktion der Todesanzeige ................................ 39
4.1.1. Kommunikationssituation ...............................................................................39
4.1.2. Funktion ..........................................................................................................46
4.1.2.1. Funktion der privaten Todesanzeige ............................................................46
4.1.2.2. Funktion der offiziellen Todesanzeige .........................................................52
4.2. Aufbau der Todesanzeige aus textlinguistischer kontrastiv ....................................... 56
4.2.1. Aufbau der privaten Todesanzeige .................................................................56
4.2.1.1. Aufbau der deutschen privaten Todesanzeige .............................................56
4.1.2. Aufbau der vietnamesischen privaten Todesanzeige ......................................62
4.2.2. Aufbau der offiziellen Todesanzeige ..............................................................72
4.2.2.1. Aufbau der deutschen offiziellen Todesanzeige ..........................................72
4.2.2.3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede ............................................................77
4.3. Textsortenspezifische sprachliche Merkmale ...................................................... 81
4.3.1. Formelhafte Ausdrücke ...................................................................................81
4.3.2. Lexik ...............................................................................................................84
5. Fazit ......................................................................................................................87
Literaturverzeichnis ................................................................................................91
Anhang
Abkürzungsverzeichnis
Abb.
Abbildung
bzw.
beziehungsweise
d.h.
das heißt
f.
folgend(e)
ff.
fortfolgend
S.
Seite
usw.
und so weiter
vgl.
vergleiche
z. B.
zum Beispiel
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Vergleichsversuch der von Autoren vorgeschlagenen Textmerkmale ....20
Tabelle 2: Zuordnungsversuch der von Autoren vorgeschlagenen Textmerkmale ..21
Tabelle 3: Textsortenanalyse nach Sandig (1972) (Auswahl) (Busch/Stenschke
2018: 258) .................................................................................................................31
Tabelle 4: Zuordnungsversuch der Funktionen der Todesanzeige ...........................38
Tabelle 5: Gleichstellung der Kommunikationssituation der ........................................46
deutschen und vietnamesischen Todesanzeigen ..........................................................46
Tabelle 6 : Gegenüberstellung von Funktionen in den privaten deutschen und
vietnamesischen Todesanzeigen ...............................................................................47
Tabelle 6a: Funktion Würdigung und Ehre des/der Verstorbenen in der deutschen
privaten Todesanzeige ...............................................................................................47
Tabelle 6b: Funktion Würdigung und Ehre des/der Verstorbenen in der
vietnamesischen privaten Todesanzeige ...................................................................48
Tabelle 7: Gegenüberstellung von den Funktionen der offiziellen deutschen und
vietnamesischen Todesanzeigen ...............................................................................53
Tabelle 7a:
Die Funktion Würdigung und Ehre des/der Verstorbenen in der
deutschen offiziellen Todesanzeige ..........................................................................53
Tabelle 7b: Die Funktion Würdigung und Ehre des/der Verstorbenen in der
vietnamesischen offiziellen Todesanzeigen ..............................................................53
Tabelle 8: Gegenüberstellung von der Textstruktur in den deutschen und
vietnamesischen privaten Todesanzeigen .................................................................67
Tabelle
9:
Gegenüberstellung
der
Textstruktur
in
den
deutschen
und
vietnamesischen offiziellen Todesanzeigen ..............................................................79
Tabelle 10a: Gegenüberstellung der formelhaften Formuierungen zwischen der
deutschen und vietnamesischen privaten Todesanzeigen .........................................82
Tabelle 10b: Gegenüberstellung der formelhaften Formulierungen zwischen der
deutschen und vietnamesischen offiziellen Todesanzeigen ......................................83
Tabelle 11: Gegenüberstellung der Lexikebene zwischen den deutschen und den
vietnamesischen Todesanzeigen ...............................................................................85
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Hierarchische Stufung von Text-Klasse (Heinemann/Heinemann 2002: 143)..... 12
Abbildung 2: Textklassifikationskriterien (Linke/Nussbaumer/Portmann 2004: 281) ......... 13
Abbildung 3: Modell der Textmerkmale (Sandig 2006: 311) .................................................. 18
Abbildung 4: Dimensionen der Textbeschreibung (Adamzik 2004: 59) ................................ 26
Abbildung
5:
Hierarchische
Stufung
der
Todesanzeige
(erstellt
nach
Heinemann/Heinemann, 2002: 143) .........................................................................30
Abbildung 6: Die vietnamesische Todesanzeige am Eingang des Bestattungshauses
(Anzeige VPA 03) ......................................................................................................................... 42
Abbildung 7a: Die vietnamesische offizielle Todesanzeige (Anzeige VOA 03) ................... 44
Abbildung 7b: Die vietnamesische offizielle Todesanzeige (Anzeige VOA 38) ................... 44
Abbildung 8a: Die deutsche private Todesanzeige (Anzeige DPA 55)................................... 48
Abbildung 8b: Die deutsche private Todesanzeige (Anzeige VPA 15) .................................. 48
Abbildung 9a: Die Würdigung des/der Verstorbenen in der deutschen privaten
Todesanzeige (Anzeige DPA 62) ..............................................................................49
Abbildung 9b: Die Würdigung des/der Verstorbenen in der vietnamesischen
privaten Todesanzeige (Anzeige VPA 04) ................................................................50
Abbildung 10a: Textstruktur der deutschen privaten Todesanzeige .........................57
(Anzeige DPA 34) .....................................................................................................57
Abbildung 10b: Textstruktur der deutschen privaten Todesanzeige ........................58
(Anzeige DPA 15) .....................................................................................................58
Abbildung 11a: Textstruktur der vietnamesischen privaten Todesanzeige (Anzeige VPA 02) .. 63
Abbildung 11b: Textstruktur der vietnamesischen privaten Todesanzeige ..............64
(Anzeige VPA 61) .....................................................................................................64
Abbildung 12a: Textstruktur der deutschen offiziellen Todesanzeige (Anzeige DOA 02) ......... 73
Abbildung 12b: Textstruktur der deutschen offiziellen Todesanzeige (Anzeige DOA 14) .. 73
Abbildung 13: Textstruktur der vietnamesischen offiziellen Todesanzeige (Anzeige
VOA 33) ....................................................................................................................75
1. Einleitung
1.1. Themenwahl und Problemstellung
In der heutigen Zeit des Individualismus, der stark entwickelten Medien und
sozialen Netzwerke wie Facebook, Twister, Instagram usw., in der man sehr schnell
nur per Mausklick Informationen einblenden und Emotionen wie Traurigkeit, Liebe
oder Wut mit Emojis ausdrücken kann, ist es jedoch interessant, zu untersuchen,
wie die Todeseinstellungen und das Verhältnis des modernen Menschen zum Tod
sind, gerade weil sie einen wichtigen Bestandteil der Trauerkultur bilden und sich
die menschlichen Einstellungen zum Sterben, Tod und Trauer zuerst in
Todesanzeigen
spiegeln.
Dazu
betrachten
Grümer/Helmrich
(1994:
62)
„Todesanzeige als Informationsquelle über das Verhältnis des modernen Menschen
zum Tod”. Die herausragende Rolle der Todesanzeige für die Gesellschaft macht
sie zum relevanten Ausdrucksmittel öffentlicher Trauer und privater Schmerzen. Es
stellt sich die Frage, ob Todesanzeige eine normale Textsorte ist, die lediglich die
Funktion der Bekanntgebung eines Todesfalls hat oder hinterlassen soziale und
kulture Faktoren ihre Spuren in Todesanzeigen. Was charakterisiert die
Todesanzeige und worin liegt ihre Besonderheit?
Erstens stellt Todesanzeige eine gattungsspezifische Textsorte dar, weil sie über
verschiedene
kommunikative
Funktionen
verfügt
und
eine
besondere
gesellschaftliche Rolle spielt. Todesanzeige ist nicht nur eine schriftliche und
öffentliche Bekanntgabe eines Todesfalls und einer Trauerfeierlichkeit, sondern sie
sind zugleich „offene Briefe an Verstorbene” (Linke 2007: 196). Darüber hinaus
werden Gefühlsäußerungen, Liebe, Ehrung und Würdigung, Wünsche und
Hoffnungen von Hinterbliebenen durch der sehr vielfältigen Lexik und
Ausdrucksweisen in Todesanzeigen geäußert und dargestellt. So hat Todesanzeige
im Bereich der Textlinguistik einen bestimmten Anreiz als Forschungsgegenstand.
Zweitens
ist
Todesanzeige
nicht
nur
der
Forschungsgegenstand
der
Sprachwissenschaft, sondern auch der Kulturwissenschaft, d.h. sie lässt sich nicht
nur aus textlinguistischer, sondern auch aus kultureller Sicht betrachten, denn sie
1
reflektiert einen bestimmten Kulturraum und wird sehr stark von den
kulturspezifischen Konventionen und kulturellen Faktoren des betreffenden Landes
beeinflusst. Aus diesen Gründen wird Todesanzeige von der Trauerkultur stark
geprägt und umgekehrt kann man die Trauerkultur eines Landes durch
Todesanzeigen erkennen.
Drittens, obwohl das Thema Todesanzeige bereits in bestimmten Richtungen
erforscht und die deutsche Todesanzeige mit
Todesanzeigen einiger Länder
verglichen wurde, ergab die Literaturrecherche, dass es bislang noch keine
wissenschaftliche Arbeit zur kontrastiven Darstellung und Analyse der deutschen
und vietnamesischen Todesanzeigen aus sprachlicher und kultureller Sicht gibt.
Die genannten Fragen und Gründe sind Impulse für die Wahl des Themas der
vorliegenden Arbeit. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen Gemeinsamkeiten
und Unterschiede in sprachlicher und kultureller Hinsicht.
1.2. Zielsetzung und Forschungsfragen
Die vorliegende Arbeit geht in erster Linie davon aus, dass Todesanzeige eine
spezifische Textsorte ist und über ihre dominierenden Merkmale verfügt. Im
Mittelpunkt steht die kontrastive Darstellung auf der textlinguistischen Ebene, die
dazu
dient,
die
Gemeinsamkeiten
und
Unterschiede
in
Todesanzeigen
herauszuarbeiten. Es soll zudem der Versuch unternommen werden, Unterschiede in
der Trauerkultur zwischen beider Länder aus kultureller Sicht zu erklären. Damit
setzt sich die Arbeit zum Ziel, wesentliche Aspekte der Trauerkultur in Deutschland
und in Vietnam und das Verhältnis des Menschen der beiden Gesellschaften zum
Tod zu vermitteln.
Im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung stehen folgende Fragen:
Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede in textlinguistischer Hinsicht gibt
es zwischen den deutschen und vietnamesischen Todesanzeigen?
Wie können die Unterschiede aus kultureller Hinsicht erklärt werden?
2
1.3. Forschungsstand
Das Thema Todesanzeige ist ein Forschungsgegenstand für einige Master- und
Doktorarbeiten in Deutschland und wird in verschiedenen Richtungen erforscht.
Mit der quantitativen Inhaltsanalyse der Semantik und anhand gesammelter
Todesanzeigen in den Leipziger Tageszeitungen im Zeitraum von 1893 bis 1994
überprüfen Gerhards/Melzer (1996) die Hypothese, ob die Veränderung der
Semantik von Todesanzeigen als Indikator für Säkularisierungsprozesse gilt.
Hölscher (2005) sammelt die Todesanzeigen in den ausgewählten regionalen
Tageszeitungen von 1902 bis 2002 und untersucht in ihrer Magisterarbeit die
Strukturen von Todesanzeigen. Die Arbeit zeigt Ergebnisse der Untersuchung der
Makrostruktur der deutschen Todesanzeige und die makrostrukturellen Merkmale
auf syntaktischen und lexikalischen Ebenen. Dadurch lassen sich die Unterschiede
zwischen Anzeigen im Krieg und den anderen analysieren und der Wandel der
Trauerkultur in Deutschland in einem bestimmten Zeitraum feststellen. Allerdings
werden weitere Entwicklung der Trauerkultur und ihre Auswirkung auf Sprache in
der Arbeit nicht behandelt.
Möller (2009) konzentriert sich in ihrer Dissertation auf die Untersuchung der
Todesanzeige durch die Gattungsanalyse, bei der Todesanzeige als kommunikative
Gattung untersucht wird, die von zwei Seiten (zum einen seitens des Verstorbenen
und zum anderen seitens der Hinterbliebenen) ausgeht. Sie kommt in ihrer Arbeit
über Todesanzeige zu folgendem Schluss: Die Hinterbliebenen äußern ihre Gefühle,
Ehrung und Würdigung zu den Verstorbenen nicht nur in den Todesanzeigen,
sondern auch im Nachruf, d.h. zu der Untersuchung der Todesanzeige als
kommunikative Gattung gehört auch Nachruf. Hervorgehoben ist die moralische
Kommunikation, die nicht nur Bezug auf den Toten, sondern auch Bezug auf die
Hinterbliebenen nimmt. Mit der Untersuchung werden die Darstellungs- und
Betonungsweisen verschiedener Konzepte innerhalb der kommunikativen Gattung
aufgezeigt.
3
Dirschauer (2012) analysiert Todesanzeigen in den Jahren zwischen 1970 und 1971
in der Bremer Tageszeitung Weser Kurier und kommt zu dem Ergebnis, dass sich
die Zahl der Todesanzeigen in der Zeitung trotz der hohen Todesfälle verringert hat.
Im Zeitungsartikel „Die Todesanzeige. Eine postume Lebensanzeige” analysiert er
den Prädikatswechsel von „entschlafen” zu „trauern um” und nennt einige Verben,
die vor 40 Jahren noch bis heute dominieren. Außerdem analysiert er das veränderte
Todesbewusstsein,
den
Symbolwandel
und
den
Paradigmenwechsel
der
Todesanzeige. Abschließend unterscheidet er die verschiedenen Typen von
Todesanzeigen mit kurzen, aber deutlichen Erklärungen.
Außer den genannten Autoren und wissenschaftlichen Arbeiten zählen weitere
Beiträge zur Untersuchung der Todesanzeige und des Trauerkulturwandels. Obwohl
Todesanzeige unter verschiedenen Aspekten (Analyse der Struktur, Analyse des
Trauerkulturwandels, Untersuchung der moralischen Kommunikation zwischen
dem Verstorbenen und den Hinterbliebenen, Analyse der Euphemismen in der
deutschen, polnischen und spanischen Sprache usw.) analysiert wurde, gibt es
bislang noch keine wissenschaftliche kontrastive Untersuchung über Todesanzeigen
im Deutschen und im Vietnamesischen. Aus diesen Gründen stellt die Arbeit einen
Versuch dar, trauerkulturelle Komponenten aufzuzeigen.
1.4. Forschungsmethoden und Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel: Darstellung der theoretischen
Grundlagen und empirische Untersuchung der erhobenen Todesanzeigen anhand
der erstellten Korpora.
Im theoretischen Teil basiert die vorliegende Arbeit auf
den folgenden
vorhandenen Literaturquellen im Bereich Textlinguistik: Fandrych/Thurmair 2011
(Textsorten im Deutschen. Linguistische Analysen aus sprachdidaktischer Sicht),
Brinker 2014 (Linguistische Textanalyse. Eine Einführung in Grundbegriffe und
Methoden),
Gansel/Jürgens
2009
(Textlinguistik
und
Fix/Poethe/Yos 2003 (Textlinguistik und Stilistik für Einsteiger),
4
Textgrammatik),
Heinemann/Heinnemann 2002 (Grundlagen der Textlinguistik), Sandig 2006
(Textstilistik des Deutschen). Diese Literatur schafft die Leitlinien und bildet die
festen Grundlagen für die Arbeit. Die Artbeit beschäftigt sich zunächst mit den
theoretischen Grundlagen der Textlinguistik. Die allgemeinen Grundbegriffe wie
Text, Textmerkmale, Textsorte, Kohäsion, Kohärenz usw. werden anhand der
vorliegenden Literatur erklärt.
In der praktischen Untersuchung stehen die qualitativen und quantitativen
Methoden bei der Analyse der Todesanzeigen zur Verfügung. Die vorliegende
Arbeit beschäftigt sich mit der Erforschung von 140 ausgewählten privaten
Todesanzeigen (jeweils 70 deutsche und 70 vietnamesische Todesanzeigen) und
140 ausgewählten offiziellen Todesanzeigen (jeweils 70 deutsche und 70
vietnamesische Todesanzeigen) im Zeitraum von 2016 - 2018.
Bei der quantitativen Datenerhebung werden zwei Korpora (für die deutschen und
für die vietnamesischen Anzeigen) erstellt. Die Korpora werden nach bestimmten
sprachwissenschaftlichen Gesichtspunkten, die auf die theoretischen Grundlagen
basieren, mit Excel-Datei erstellt:
Aus textlinguistischer und kultureller Sicht werden Todesanzeigen nach ihren
primären
und
Verstorbenen,
sekundären
Mitteilung
Funktionen
zu
den
wie
Abschied,
Beschreibung
Trauerfeierlichkeiten,
der
Gefühlsäußerung,
Danksagung, Liebe, Ausdrücken von Wünschen und Hoffnungen eingeordnet und
statistisch erfasst. Die Ergebnisse werden in Prozenzahl ausgewertet. Dadurch wird
überprüft, ob jede Todesanzeige alle Funktionen erfüllt und welche Funktionen
obligatorisch sind und demzufolge nicht fehlen dürfen?
Im Hinblick auf die Textstruktur lässt sich der Aufbau der offiziellen und privaten
Todesanzeigen anhand der im Korpus ausgewählten und zusammengestellten
Todesanzeigen in den beiden Sprachen analysieren. Die Daten werden kodiert und
in Prozentzahl ausgewertet. Es soll die Frage beantwortet werden, wie häufig die
sprachlichen Mittel für den Aufbau in den deutschen und vietnamesischen
Todesanzeigen
vorkommen?
Besonders
5
betrachtet
wird,
wie
oft
jede
Merkmalsausprägung vorkommt und wie die Tendenz bei der Gestaltung einer
Todesanzeige aussieht. Die Unterschiede in der Textstruktur lassen sich aus der
kulturellen Sicht erläutern.
Bei der qualitativen Analyse werden Todesanzeigen aus textlinguistischer Sicht
betrachtet und behandelt. Demnach lassen sich die Kommunikationssituation,
Textfunktionen
und
sprachliche
Ausgestaltung
analysieren.
Aus
den
Untersuchungsergebnissen lässt sich feststellen, welche sprachlichen Merkmale und
lexikalischen Phänomene eine wichtige Rolle in den beiden Todesanzeigen spielen,
welches Todesvokabular und welche formelhaften Formulierungen typisch für die
Todesanzeige in den beiden Sprachen sind. Die Arbeit konzentriert sich in der
empirischen Untersuchung auf einen Vergleich zwischen den Todesanzeigen in
Deutschland und in Vietnam anhand der angewandeten Theorien und
methodischen Analyseansätze und der umfangreichen Korpora. Es soll Antwort
auf folgende Fragen gegeben werden: Welche Unterschiede gibt es in beiden
Sprachen und wie werden diese Unterschiede erklärt? Was ist besonders in den
beiden Kulturkreisen im Hinblick auf Trauerkultur? Zu jedem Punkt gibt es
einen Vergleich mit den Todesanzeigen im Vietnamesischen und anschließend
werden die Unterschiede in den beiden Todesanzeigen anhand der spezifischen
kulturellen Komponenten erläutert.
2. Grundbegriffe
2.1. Text
Im Mittelpunkt dieses Teils stehen die Theorien von Brinker (2014),
Heinemann/Heinemann (2002) und Adamzik (2004) über die Definition vom
„Text“. Sie präsentieren und erläutern verschiedene nach unterschiedlichen
Forschungsrichtungen ausformulierte Textdefinitionen.
In ihrem veröffentlichen Werk „Textlinguistik. Eine einführende Darstellung“ ist
Adamzik (2004: 47) beim Entwurf einer entsprechenden Textdefinition der
Meinung, dass Text ein komplexer und vielfältiger Gegenstand der Wissenschaft
6
und vielschichtig zu
betrachten ist. Demzufolge stellt sie fest, dass der Text
gemeinsprachlich statt sehr wissenschaftlich definiert werden sollte. Ihre
Behauptung stützt sich darauf, dass sich viele Definitionen vom Text nur auf
bestimmte Merkmale beziehen oder nur auf Teilaspekte fokussieren. Daher gibt sie
keine Definition vom Text, sondern behauptet, dass der „Text als prototypisches
Konzept“ angesehen werden sollte. Deshalb kommt es nicht in Frage, ob etwas ein
Text oder kein Text ist. Viel wichtiger ist es, aufzuweisen, dass der Text mit
wesentlichen Merkmalen typisch für eine Kategorie ist.
Auf anderer Vorgehensweise unterscheiden sich Heinemann/Heinemann (2002:
109ff.) zwischen Schrifttexten und Sprechtexten anhand der unterschiedlichen
Textstrukturen in der schriftlichen und kommunikativen Funktion. Sie machen
einen Vergleich zwischen den verschiedenen Basiskonzepten und vertreten die
Auffassung, dass der Text sehr vielfältig definiert werden soll. In ihrer Arbeit
stellen sie die „Merkmals-Definitionen“ den „Verbalsdefinitionen“ gegenüber. Bei
den Merkmals-Definitionen in den 70er und 80er Jahren lassen sich lediglich
entscheidende Teilaspekte von Texten darstellen. Darüber hinaus zeigt sich kein
Zusammenhang zwischen diesen Merkmalen, denn der Text wurde nach einigen
bestimmten Aspekten wie zum Beispiel nach der grammatisch geprägten Textualität
(Satzfolge, Kohäsion), der semantisch bestimmten Textualität (Informativität,
Kohärenz),
der
Intentionalität)
pragmatisch-kommunikativen
und
der
kognitiv
bestimmten
Textualität
Textualität
(Situativität,
(Prozessualität,
Prozeduralität, Kohärenz) definiert. Deshalb führen die Textdefinitionen zur
Verwirrung bei der praktischen Anwendung. In diesem Sinne stellen sie fest, dass
die Merkmals-Definitionen vom Text nicht umfassend sind und nur unter
eingeschränkten
Aspekten
bestimmte
Eigenschaften
aufzählen.
Auch
die
Verbaldefinitionen bergen nach Heinemann/Heinemann in sich Probleme, da in
diesen kurzen und knappen Definitionen nach der traditionellen Ausdrucksweise
nur ein wesentliches Merkmal erwähnt wird und die anderen Textualitätsmerkmale
lassen sich implizit darstellen. In ihrem Werk stellen sie (2002: 110ff.) dabei einige
7
„komplexe Verbaldefinitionen“ vor, in denen der Text je nach dem Zweck
vielschichtig
durch
mehrere
charakteristische
Merkmale
betrachtet
und
gekennzeichnet wird. Das sind die Textdefinitionen von Graustein/Neubert (1979),
Heinemann/Viehweger (1991), Strohner (1997) und Heinemann (2002). Die
vorliegende Arbeit geht von der umfassenden Textdefinition von Heinemann aus:
„Ein Text als Teileinheit
eines Diskurses ist eine relativ abgeschlossene
Grundeinheit der sprachlichen Kommunikation, die von sozial Handelnden als
pragmatische, semantische und formale sowie prototypisch gewichtete Ganzheit
deklariert bwz. verstanden wird. Texte werden von den Kommunizierenden aus
bestimmten sozialen oder psychischen Anlässen nach globalen Textmustern, die
sich als erfolgreich erwiesen haben, konstituiert und rezipiert. Sie sind auf das
Übermitteln und Verstehen von thematisch organisierten Informationseinheiten
zur Realisierung von Handlungszielen der Partner im Rahmen übergreifender
Interaktionsereignisse gerichtet. Diese Elemente der Äußerungsfolgen stehen in
kohäsiven Beziehungen zueinander; Kohärenz
kommt auf
der
Basis
textgeleiteter Zusammenhänge durch das Inferieren von Vorwissen über die
Konstitution von Textsinn zustande.” (2002: 111)
In diesem Textbegriff gilt der Text als „Teileinheit eines Diskurses“ und bildet die
Basis in der sprachlichen Kommunikation. Unter „Text“ versteht man eine
komplexe grammatische und thematische Grundeinheit der Kommunikation, die
von semantischen und pragmatischen Elementen bestimmt wird. Der Text verfügt
über eine bestimmte formale Textstruktur. Funktional dient der Text zum einen zur
Erreichung der kommunikativen Ziele des Textproduzenten und Textrezipienten,
zum anderen zur Darstellung der Intention des Textproduzenten. Darüber hinaus
stellt der Text eine Harmonie zwischen den Textualitätsmerkmalen in der
Oberflächenstruktur und den charakteristischen Komponenten in der Tiefenstruktur
wie Informativität, Situativität, Intentionalität bzw. Intertextualität dar, dabei
spielen Kohäsion und Kohärenz eine wichtige Rolle beim Textzusammenhang.
In Übereinstimmung mit Heinemann/Heinemann (2002) orientiert sich Brinker
(2014: 11f) im Rahmen der Textlinguistik an einem Entwurf eines integrativen
8
Textbegriffs. Als Grundlage für die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem
linguistischen Textbegriff dient die Betrachtung des Wortes „Text“ in der
Alltagssprache aus. Darauf erläutert er basierend mittels Beispiele bestimmte
Kriterien, mit denen mehrere hintereinander stehende Sätze in der Alltagsprache als
Text bezeichnet werden. Schließlich stellt er fest, dass in der Alltagssprache
aufeinanderfolgende Sätze nur als Text verstanden werden, wenn sie miteinander
inhaltlich und thematisch kohärent sind.
Er analysiert zwei Hauptrichtungen in der Textlinguistik, durch die der Text
zielgemäß auf unterschiedlichen Weisen definiert wird und zwar den Textbegriff
der sprachsystematisch ausgerichteten Textlinguistik und den Textbegriff der
kommunikationsorientierten Textlinguistik Anfang der 70er Jahre. Die erste
Richtung bezieht sich auf die strukturalistische Linguistik und die generative
Transformationsgrammatik, wobei sich der Text mit dem Satz assimilieren und
unter den sprachlichen Einheiten des Satzes strukturell analysieren lässt, d.h. bei der
Textuntersuchung dominiert demzufolge die Satzanalyse. Die Textlinguistik Mitte
der 60er Jahre erweitert den Textbegriff, so dass der Text als eine grammatisch
verknüpfte Folge von Sätzen definiert wird und das Textmerkmal „Kohärenz“ im
Mittelpunkt der Analyse steht (vgl. Brinker 2014: 14f). Der zweiten Hauptrichtung
in der Textlinguistik liegt die Untersuchung der kommunikativen Funktion von
Texten anhand der linguistischen Pragmatik zugrunde, in der der Text als
Übertragungsmittel
der
kommunikativen
Beziehung
zwischen
dem
Textproduzenten und dem Textrezipienten verstanden wird. In dieser Hinsicht steht
die „kommunikative Funktion“ eines Textes im Mittelpunkt der Untersuchung.
Nach sorgfältiger Abwägung der Vor- und Nachteile der Ansätze schlägt Brinker
einen intergrativen Textbegriff vor, in dem „der Terminus „Text“ eine begrenzte
Folge von sprachlichen Zeichen“ ist, „die in sich kohärent ist und die als Ganzes
eine erkennbare kommunikative Funktion signalisiert“ (vgl. Brinker 2014: 17)
Dieser Textbegriff umfasst sowohl den sprachlichen als auch den kommunikativen
Aspekt eines Textes. Im Hinblick auf die grammatische und thematische Ebene ist
9
der Text durch einen „höheren Komplexitätsgrad“ gekennzeichnet (vgl. Brinker
2014: 18). Im kommunikativen Hinblick bildet „das Konzept der kommunikativen
Funktion“ der Sprechakttheorie die Basis für den Textbegriff. Der kommunikative
Aspekt ist Bedingung für die Unterscheidung zwischen der alltäglichen und
linguistischen Bedeutung vom Text. Brinker weist mit diesem Textbegriff auf
bedeutende Eigenschaften eines Textes hin und diese Eigenschaften lassen sich bei
der unterschiedlichen Verwendung des Wortes „Text“ in der Alltagssprache und in
der Textlinguistik hervorheben. Er vertritt die Position mit einem „umfassenden
Kohärenzkonzept“ „nach verschiedenen Aspekten (grammatisch, thematisch,
pragmatisch; expliziert, implizit usw.)“ (vgl. Brinker 2014: 18ff.). Seine
Unterscheidung
„grammatischen
zwischen
und
thematischen
Kohärenzbedingungen“ kann jedoch als die Unterscheidung zwischen Kohärenz
und Kohäsion betrachtet werden.
Im Wesentlichen stehen die Textbegriffe von Heinemann/Heinemann und Brinker
in Einklang miteinander. Hier lassen sich die kommunikative Funktion und die
formalen
und
thematischen
Elemente
feststellen,
die
einem
Text
die
Satzverknüpfung auf den textinternen und textexternen Ebenen gewährleisten. Eine
abweichende Darstellung entwickelt Brinker trotzdem in seiner Untersuchung.
Während Heinemann/Heinemann die textuellen Hauptkriterien (Kohärenz und
Kohäsion) hervorheben, unterscheidet Brinker dagegen Kohäsion nicht von
Kohärenz,
sondern
grammatische
Kohärenzbedingungen
von
thematischen
Kohärenzbedingungen“, wobei erstere dem Begriff Kohäsion und letzte dem
Begriff Kohärenz zuzuordnen sind. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass die
Textualitätsmerkmale „Intertextualität“ und „Situativität“ im Textbegriff von
Heinemann/Heinemann dargestellt werden.
Aus dem Vergleich der Definitionen lässt sich deutlich erkennen, dass der
Textbegriff von Heinemann/Heinemann umfassender als der von Brinker ist. Aus
diesem Grund nimmt die Arbeit den Textbegriff von Heinemann/Heinemann als
theoretische Grundlage für die weitere Forschung.
10
2.2. Textsorte
Wie bereits erläutert wird der Text sehr vielfälltig und unterschiedlich von
verschiedenen
Autoren
definiert.
Richtet
man
nur
den
Blick
auf
die
Textklassifikation, so stellt sich die Frage, ob man einen Text klassifizieren kann
und worauf sich die Textklassifikation stützt? Wie im Folgenden gezeigt wird,
gehört jeder Text zu einer bestimmten Textsorte und weist dadurch spezifische
textuelle Merkmale dieser Textsorte auf.
Heinemann/Heinemann (2002: 142) legen viel Wert auf den Geltungsbereich einer
Textsorte „in den Weiten gesellschaftlicher/kommunikativer Ordnungen“ und
nennen „Textsorte“ als Text-Klassen „mit relativ geringem Geltungsbereich, und
damit verbunden mit einer relativ niedrigen Stufe der Abtraktion von den
zugrundeliegenden realen Ordnungen“.
Nach Heinemann/Heinemann (2002: 143) wird Textsorte definiert als eine Gruppe
von Texten, die zu einem bestimmten geringen Geltungsbereich gehören und
gemeinsam über bestimmte textuelle Merkmale verfügen. Diese Merkmale sind mit
den gesellschaftlichen Ordnungen verbunden. Die Textklassen sind wie folgt
hierarchisch in Stufen unterteilt:
Text-Typ
informierender Text
Schrift-Text
Textsortenklasse 2
Schrift-Text
Rechts-Text
Textsortenklasse 1
Zeitungs-Text
Text der Rechtsfestlegung
TEXTSORTE
Wetterbericht
Verordnung
Textsortenvariante
Reisewetterbericht
Straßenverkehrs-Ordnung
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Abbildung 1: Hierarchische Stufung von Text-Klasse (Heinemann/Heinemann 2002: 143)
Die Klassifikation durch dieses Schema erscheint klar strukturiert und verständlich,
weil alle Stufen in der horizontalen Hierarchie zugeordnet sind. In der
Hierarchiebildung bevorzugen die Autoren das Modell: Texttyp – Textklasse –
Textsorte, sind der Meinung, dass die Begriffe „Texttyp“ und „Textklasse“ in der
Textlinguistik nicht einheitlich verwendet werden. Allerdings ist ihre Klassifikation
durch zwei obengenannte Beispiele nicht ganz einleuchtend und zum Teil
verwirrend. Denn der Schrift-Text hat in jeder bestimmten Textsorte eine
unterschiedliche Position in der Hierarchie. In diesem Sinne hängt die
Textklassifikation vom Klassifikator ab. Auf der anderen Seite ordnen
Heinemann/Heinemann „Schrift-Texte, politische Texte, Medien-Texte, AlltagsTexte ...“ der Kategorie „Text-Typ“ zugeordnet. Diese Zuordnung ist insofern
problematisch, als es fraglich ist, ob politische Texte, Medien-Texte und AlltagsTexte ... Nicht-Schrift-Texte sind.
Ähnlich wie Heinemann/Heinemann bezeichnen Linke/Nussbaumer/Portmann
(2004: 278) Textsorten als „die Gruppen gleichartiger Texte“, „die sich durch
bestimmte Bündel von Merkmalen auszeichnen“ (Hervorhebung im Original). Das
sind die Texte mit bestimmten Merkmalen, die nach den repräsentativen Merkmalen
bestimmt, zugeordnet und kategorisiert werden. Jedoch behaupten die Autoren in
ihrer Arbeit, dass es bisher in der textlinguistischen Forschung keine „einheitliche
gültige Textsortenklassifikation“ und kein Verfahren für die Zuordnung eines
Textes gibt. Demzufolge schlagen sie die Textsortenklassifikation nach den
textinternen und textexternen Kriterien vor. Zu den textinternen Kriterien gehören
die lautlich-paraverbale bzw. graphische Ebene, die Wortwahl, Art und Häufigkeit
von Satzbaumustern, die Themenbildung und der Themenverlauf, das Thema und
die Textstrukturmuster. Die Textfunktion, das Kommunikationsmedium und die
Kommunikationssituation
zählen
Linke/Nussbaumer/Portmann
2004:
zu
den
textexternen
278ff.).
Diese
folgendermaßen graphisch dargestellt:
12
Kriterien
Kriterien
(vgl.
werden
Textklassifikationskriterien
textextern
textintern
an die TextOberfläche
gebunden
an die TextTiefenstruktur gebunden
z.B.
-Wortschatz
- Satzbaumuster
z.B.
- Thema/Themenverlauf
- Textstrukturmuster
an den
Kommunikations
zusammenhang
gebunden
z.B.
- Textfunktion
- Trägermedium
Abbildung 2: Textklassifikationskriterien (Linke/Nussbaumer/Portmann 2004: 281)
In der Abbildung lässt sich ein Text genauer nach den textinternen und -externen
Kriterien klassifizieren, d.h. die dominierenden Merkmale eines Textes werden
untersucht und dadurch wird ein Text der entsprechenden Textsorte zugeordnet.
Im Vergleich zu der Hierarchiestufung von Heinemann/Heinemann konzentrieren
sich
Linke/Nussbaumer/Portmann
auf
andere
Dimensionen
bei
der
Textsortenbeschreibung, nämlich die Untersuchung der textinternen und –externen
Merkmale eines Textes. Anhand der analysierten Merkmale ist eine effektive
Wirkung auf die Textklassifikation erzielbar. Somit ergänzt und unterstützt das
Raster von Linke/Nussbaumer/Portmann das Verfahren für die Textzuordnung.
Im
Vergleich
zu
den
Ansätzen
von
Heinemann/Heinemann
und
Linke/Nussbaumer/Portmann arbeiten Gansel/Jürgens (2009) in eine andere
Richtung
und
halten
Textsortenbenennung“
fest,
dass
betrachtet,
„Kommunikationsbereiche“
und
man
sondern
seine
13
einen
Text
analysiert
„funktionale
nicht
nur
vielmehr
„von
seine
Ausdifferenzierung
in
gesellschaftlichen
Systemen“.
Hinsichtlich
des
Ansatzes
„Textklassifikationskriterien“ von Linke/Nussbaumer/Portmann stellen sie die
Frage, „inwiefern textinterne und textexterne Faktoren bei der Textklassifikation
und –beschreibung zu berücksichtigen sind“ (vgl. Gansel/Jürgens 2009: 57). Doch
heben sie hervor, dass die textinternen Kriterien nicht nur grammatische und
semantisch-inhaltliche, sondern auch stilistische Merkmale aufweisen. Die
textexternen Kriterien bilden nach Gansel/Jürgens der Kommunikationsbereich und
die kommunikative Situation. Sie kommen zu dem Schluss, dass die textinternen
und
textexternen
Faktoren
erforderlich
für
die
Textzuordnungen
und
Textbeschreibungen sind (vgl. Gansel/Jürgens 2009: 62).
Brinker (2014) geht vom im Jahr 1981 von Dimter untersuchten Ergebnis aus, dass
sich die Zuordnung einer alltagsprachlichen Textsorte auf die drei wesentlichen
Kategorien (funktional, inhaltlich und situativ) bezieht, d.h. die drei Kategorien: die
Kommunikationssituation, die Textfunktion und der Textinhalt sind „die
entscheidenden Kriterien im Wesentlichen“ (vgl. Brinker 2014: 136).
Er erläutert diese Kategorien durch Beispiele und hält fest, dass die Textsorte von den
drei bedeutenden Merkmalen, nämlich der Textfunktion, dem Textinhalt und der
Kommunikationssituation geprägt wird. Dabei ist die Textfunktion von dominierender
Bedeutung. Denn durch die kommunikative Funktion eines Textes kann der
Textproduzent eine bestimmte Handlung von den Textrezipienten erfordern. Im
handlungstheoretischen Hinblick definiert Brinker die Textsorte wie folgt:
„Textsorten sind konventionell geltende Muster für komplexe sprachliche
Handlungen und lassen sich als jeweils typische Verbindungen von
kontextuellen
(situativen),
kommunikativ-funktionalen
und
strukturellen
(grammatischen und thematischen) Merkmalen beschreiben. Sie haben sich in
der Sprachgemeinschaft historisch entwickelt und gehören zum Alltagswissen
der Sprachteilhaber; sie besitzen zwar eine normierende Wirkung, erleichtern
aber zugleich den kommunikativen Umgang, indem sie den Kommunizierenden
mehr oder weniger feste Orientierung für die Produktion und Rezeption von
Texten geben.“ (2014: 139)
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Brinkers Textsortendefinition kann als ausführlich und umfassend bewertet werden.
Textsorte übernimmt eine kommunikative Funktion und ist deshalb ein Produkt der
kommunikativen Gesellschaft und orientiert sich daher nach den sprachlichen
Handlungen. Folglich ist jede Textsorte nach einer bestimmten Norm zu
konzipieren und konventionalisieren und es ist leichter, gleichartige Texte zu
produzieren und zu rezipieren. Jede Textsorte verfügt über gemeinsame
dominierende Merkmale in der Oberflächenstruktur und in der Tiefenstruktur.
Demzufolge erzielt sie eine effektive Wirkung auf die gesellschaftliche
Kommunikation.
Busch/Stenschke (2018) behaupten, dass Textsorten „begrenzte Mengen von
Textexemplaren mit spezifischen Gemeinsamkeiten“ sind. Diese Gemeinsamkeiten
sind in Hinsicht
- „des Layouts oder der äußeren Textgestalt;
- einer charakteristischen Struktur;
- spezifischer Formulierungsmuster;
- inhaltlich-thematischer Aspekte;
- situativer Bedingungen (Kommmunikationskontext und Medium);
- kommunikativer Funktionen.“ (2018: 257)
Hier sind auch Differenzierungsmerkmale einer Textsorte zu erkennen. Die Analyse
der Textsorte von Busch/Stenschke gibt eine konkretere Erläuterung der Theorie
von Brinker.
2.3. Textualitätsmerkmale
Nach der generellen Übersicht über die Begriffe „Text“ und „Textsorte“ sollen im
Folgenden die Textualitätsmerkmale näher betrachtet werden.
Als erstes lassen sich die Textualitätsmerkmale von verschiedenen Autoren
analysieren. Um als Text zu gelten muss „ein sprachliches Gebilde“ „gewisse
Textualitätsmerkmale aufweisen“ (vgl. Brinker 2014: 133). Die Untersuchung der
Textualitätsmerkmale ist von großer Bedeutung, denn sie ist Leitlinie für die
Unterscheidung zwischen einem Text und einem Nicht-Text. Außerdem kann ein
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